Die Machtfrau

Hilde Benjamin 1902 - 1989

Die Machtfrau

Die Machtfrau
Ch. Links Verlag, 1997

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Leseprobe

Hilde Benjamin - die Machtfrau
1902 - 1945

Bernburg an der Saale. Am 5. Februar 1902 wurde Helene Marie Hildegard Lange als Älteste von drei Kindern geboren. Der Vater, kaufmännischer Angestellter im aufblühenden Solvay-Konzern, sympathisierte mit den Ideen der Freimaurer, die Mutter war eine selbstbewußte und gebildete Hausfrau. Toleranz und Menschlickeit prägten die Atmosphäre im Hause Lange.
Bernburg - achtundvierzig Jahre später.
Hilde Benjamin, geborene Lange, betritt den Saal. Sie führt den Vorsitz beim 1. Strafsenat des Obersten Gerichts der DDR. In weißem Herrenhemd, schwarzer Krawatte und schwarzem Jackett sitzt sie erhöht auf der Theaterbühne ihrer Geburtsstadt. Es ist der dritte Prozeß dieser Art innerhalb weniger Monate, bei dem sie den Vorsitz führt. Zehn leitende Angestellte der Solvay-Werke stehen vor Gericht. Nach zügiger Verhandlung verhängt Hilde Benjamin gegen die Angeklagten wegen "Schiebergeschäften" und "Wirtschaftssabotage" hohe Strafen. Unbewegt steht sie da. Klein, mit straff zurückgekämmtem Haar, der dünne Zopf über dem Kopf ist ordentlich festgeklemmt. Ihre Stimme klingt monoton und geschäftsmäßig: 19 Jahre, 15 Jahre, 2 Jahre Zuchthaus.
1902, in Hilde Langes Geburtsjahr, war diese Szene undenkbar. Da sprachen kaiserliche Beamte die Urteile und Frauen war der Zugang zum juristischen Staatsexamen verwehrt.

Die Familie zog 1908 nach Berlin-Steglitz. Walter Lange wurde Prokurist und später Direktor in einem Zweig des Solvay-Konzerns. Über ihre politische Entwicklung in ihrer Jugend schrieb Hilde Benjamin: "Die Novemberrevolution erlebte ich bereits bewußt und stand gefühlsmäßig auf der Seite der Arbeiter. (...) Von entscheidener Bedeutung wurde die Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, ... und ich begann, mich immer aktiver für die politische Entwicklung zu interessieren und Partei zu ergreifen."
Mit 19 Jahren machte Hilde Lange Abitur und studierte in Berlin, Heidelberg und Hamburg Jura. Außerdem lernte sie - klug vorausschauend - die russische Sprache. Sie heiratete den Arzt und Kommunisten Dr. Georg Benjamin, Bruder des berühmten Philosophen Walter Benjamin. Georg Benjamin war sieben Jahre älter als Hilde und wie sie von der Wandervogelbewegung beeinflußt. Bis zur Heirat 1926 war Hilde Lange Mitglied der SPD gewesen. Nun trat sie in die KPD ein. 1929 - wenige Tage vor dem berühmten 1. Mai-Kämpfen in Wedding - eröffnete Hilde Benjamin ihre Kanzlei. Die zugespitzten politischen Auseinandersetzungen und die rapide sich verschlechternde wirtschaftliche Lage brachten dem Anwaltsbüro die ersten Mandanten.
1930 trat Hilde Benjamin erstmals in einem spektakulären Strafprozeß in Berlin-Moabit auf. Der Nazidichter Horst Wessel ("Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen ...") war von Rotfrontkämpfern angeschossen worden und gestorben. Der Prozeß fand große öffentliche Aufmerksamkeit. DieVossische Zeitung schrieb: "Bemerkenswert war das Auftreten eines weiblichen Verteidigers, nämlich Frl. Dr. Benjamin in diesem Prozeß (weder Fräulein noch Doktortitel stimmen - M.B.). In interessanter Beweisführung plädierte sie für ihre Klienten auf Freispruch."
In die größer werdende Kanzlei trat Dr. Götz Berger als Sozius ein. Götz Berger, in der DDR als mutiger Anwalt u.a. für Robert Havemann bekannt und dafür mit seinem zweiten Berufsverbot bestraft, berichtete noch mit neunzig Jahren begeistert von der frühen gemeinsamen Arbeit in Wedding, sprach mit Wärme von der "Hilde von der Badstraße", von ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit, lobte ihren Charme und ihre menschliche Herzlichkeit.
Ende 1932 wurde der Sohn Michael geboren. In ihrer Biographie über Georg Benjamin heißt es: "In dieser kurzen, glücklichen Zeit nach der Geburt von Mischa tauchte ... schattenhaft der Wunsch auf: vier Kinder. Einen Monat später marschierten die SA-Horden im Fackelzug durch das Brandenburger Tor; zwei Monate später brannte der Reichstag, und zu unseren ersten Überlegungen gehörte, das Kind in Sicherheit zu bringen."

Die Machtergreifung Hitlers bedeutete für die Benjamins eine direkte Bedrohung ihrer Existenz. Georg Benjamin, nach den Rassengesetzen Jude, war ein bekannter Kommunist in Wedding, Hilde Benjamin als kommunistische Anwältin bekannt.
Bereits im März erhielt sie Berufsverbot. Das Dokument war - bittere Ironie der Geschichte - von Dr. Freisler, dem später berüchtigten Präsidenten des Volksgerichtshofs, unterzeichnet, mit dem sie in Zeiten des Kalten Kriegs manchmal als "weiblicher Freisler" verglichen wurde.
Anfang April wurde Dr. Benjamin "in Schutzhaft genommen". Er kam in das KZ Sonnenburg, wo schon Carl von Ossietzki gelitten hatte, und wurde erst Weihnachten 1933 entlassen. 1936 wurde Georg Benjamin wegen Hochverrat zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Mit der Übersetzung von ausländischen Zeitungen hatte er angeblich illegale Nachrichtenübermittlung betrieben.
Einige Zeit fand Hilde Benjamin dank ihrer guten Sprachkenntnisse bei der sowjetischen Handelsvertretung Arbeit. Später wurde sie arbeitslos. Sie wohnte mit Mischa bei ihren Eltern, die sie bis Kriegsende solidarisch unterstützten.
Nach der Zuchthaushaft kam Dr. Benjamin 1942 zunächst in ein "Arbeitserziehungslager". Wochen bangen Wartens vergingen, bis Hilde Benjamin schließlich vom KZ Mauthausen die Mitteilung erhielt: "Selbstmord durch Berühren der Starkstromleitung". Sie wußte: es war Mord. Hilde Benjamin unterstützte in dieser Zeit mutig bedrohte jüdische Freunde. Eine der Verfolgten war die Lyrikerin Gertrud Kolmar, die ihr vor der Deportation Texte anvertraute. Hilde Benjamin vergrub alles, bis die Gedichte 1977 unter dem Titel: "Das Wort der Stummen" erschienen.
Der Sohn durfte als "Halbjude" seit 1942 nicht mehr die höhere Schule besuchen. Hilde Benjamin wurde nun Michaels Hauslehrerin. Das Kriegsende verbrachten Mutter und Sohn im Keller in Steglitz, bis die Panzer der Roten Armee über die Schloßstraße rollten.

1945 - 1989

Das zweite Leben der Hilde Benjamin begann am 12. Mai 1945 mit lautem Pochen an der Wohnungstür. Der Bezirksbürgermeister ließ Frau Benjamin ins Rathaus holen. Der sowjetische Kommandant wünschte sie sofort zu sprechen.
Der Auftrag des Kommandanten - das Gericht in Steglitz-Lichterfelde neu zu organisieren - überraschte Hilde Benjamin nicht. "Nun begann das, wofür wir die vergangenen zwölf Jahre gekämpft, worauf wir uns die letzten Monate innerlich vorbereitet hatten," hieß es in ihren Erinnerungen. Und derVorwärts schrieb damals anerkennend: "Sie war die erste Staatsanwältin, (...) und sie wurde eine der populärsten Frauen" im Berlin der Nachkriegszeit.
Vor allem setzte sie sich für die Säuberung der Justiz von ehemaligen Nationalsozialisten ein. 80% des Justizpersonals waren nach den Vorgaben der Sowjets als belastet eingestuft und wurden entlassen. Eine vergleichbare Entlassungswelle in der Justiz hatte es in der deutschen Geschichte noch nie und nie wieder danach gegeben.
Hilde Benjamin, inzwischen Mitglied der Kaderabteilung der Justizverwaltung, und ab 1947 deren Leiterin, versuchte die gewaltige Personallücke anfangs mit "Richtern im Soforteinsatz", meist pensionierten Juristen, zu schließen. Entscheidend für die "Erneuerung der Justiz" aber waren die "Volksrichter". In Schnellkursen von zuerst sechs, später 12 bzw. 18 Monaten wurden antifaschistisch gesinnte Menschen, meist SED-Mitglieder, ohne Abitur zum Richter ausgebildet. "Galoppjuristen" höhnten die Gegner im Westen, und auch in der Justiz der SBZ gab es Bedenken. Doch Hilde Benjamin, unterstützt von den Sowjets, setzte sich durch. Volksrichter wurden bis Ende der fünfziger Jahre in der DDR ausgebildet und später zum Aufbaustudium verpflichtet. Hilde Benjamins Ziel war, eine klassenmäßig völlig neu zusammengesetzte Richterschaft für die DDR zu schaffen. Ebenso sollte das Männermonopol in der Justiz gebrochen werden. Anfang der sechziger Jahre waren bereits mehr als 30 % der Richterstellen mit Frauen besetzt. "Frau Richter" sollte es heißen. Sie hatte sich für die männliche Form der Berufsbezeichnungen entschieden. Hilde Benjamin wandte sich radikal gegen die bürgerliche Vorstellung vom "unpolitischen Richter". Sie wollte einen neuen Richtertyp schaffen: den "parteilichen Richter", der sein Amt kämpferisch im Dienst des proletarischen Staates ausübt, oder, wie sie es nannte: die "Dialektik von Parteilichkeit und Gesetzlichkeit" verstanden hatte. Wyschinski, der ehemalige Chefankläger Stalins, lange Zeit ihr wichtigstes Vorbild, prägte dafür die einfache Formel: "Richten ist Klassenkampf." Erste Bewährungsprobe für dieses Richterbild wurden die berüchtigten "Waldheimer Prozesse", an denen Hilde Benjamin beratend beteiligt war.
Mit Gründung der DDR - Hilde Benjamin war Mitglied der SED und der Volkskammer - wurde die verdiente Genossin jedoch nicht Justizministerin. Dem Aufstieg stand - noch - ein Mann entgegen, der im Zuge der Parität von ehemals SPD -und KPD-Mitgliedern bei der Regierungsbildung berücksichtigt werden mußte: Max Fechner. Der erste Justizminister in Deutschland, der kein Jurist sondern Werkzeugmacher war.
Hilde Benjamin wurde Vizepräsidentin des Obersten Gerichts der DDR. Die Bilanz ihrer Richtertätigkeit ist eindrucksvoll: Als Vorsitzende des 1. Strafsenats von 1949 -1953 führte sie 13 große Verfahren, sprach 67 Verurteilungen aus, darunter zwei Todesurteile, 15 mal lebenslänglich und insgesamt circa 550 Jahre Zuchthaus.
Gemeinsam mit dem Generalstaatsanwalt Melsheimer inszenierte sie Schauprozesse und unterwarf die Angeklagten demütigenden Verhören. Eine junge Angeklagte faßte zusammen, was viele im Gerichtssaal gefühlt hatten: "Eine Woge von Haß kam über den Richtertisch." Verurteilt wurden politische Gegner anderer Parteien, Abenteurer und Kriminelle, wie sie der Kalte Krieg zwischen Ost und West hervorgebrachte, enteignete Industrielle, aber auch Mitglieder der Zeugen Jehovas, unliebsame Genossen aus den eigenen Reihen und Jugendliche, die sich den Neuanfang nach dem Untergang der Nazidiktatur anders vorgestellt hatten.
Hilde Benjamin begründete ihre Härte mit der Notwendigkeit, die DDR zu schützen. Die Gnadenlosigkeit ihres Einsatzes gegen "Feinde des Sozialismus" trugen ihr in Ost und West die Beinamen: "rote" oder gar "blutige Hilde" oder "weiblicher Freisler" ein.
Wahrscheinlich hätte ein Mann an ihrem Platz nicht diese negative Berühmtheit erlangt. Eine Frau auf dem Richterstuhl scheint in der öffentlichen Meinung ungleich heftiger be- und verurteilt zu werden.

In diesen Jahren wurde die Angst Hilde Benjamins ständiger Begleiter. An Drohbriefe und Anrufe kann sich ihr Sohn erinnern. So bekam sie einen zweiköpfigen Personenschutz zugeordnet. Die Jungs von der "Firma" sorgten für Rundumschutz, ob in der Laube in Brieselang oder beim Schwimmen im See. Ein Leben unter den Augen des großen Bruders. Die DDR belohnte Hilde Benjamin für ihren unermüdlichen Einsatz 1952 mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität.
Die Ereignisse des 17. Juni 1953 brachten für Hilde Benjamin dann den ersehnten Karrieresprung. Minister Fechner war mit einem Interview im Neuen Deutschland in eine von ganz oben geplanten Falle getappt. Er hatte das "Streikrecht" für verfassungsgemäß erklärt. Beim Rapport im Politbüro wurde er als "Feind der Partei" verhaftet. Die Ernennungsurkunde für den "Minister der Justiz Hilde Benjamin" lag schon bereit. Rastlos hatte sie nach dem 17. Juni in Tag- und Nachteinsätzen die "Anleitung" der unteren Gerichte betrieben. Die "faschistischen Provokateure" sollten streng bestraft, die irregeleiteten Arbeiter auf den richtigen Weg gebracht werden.
Mißtrauen markierte die Atmosphäre im Ministerium seit Hilde Benjamins Amtsantritt. Mit Blaulicht ließ sie sich ins Amt fahren, selbst der Weg zur Toilette wurde von Bewachern flankiert.
Doch die DDR-Führung wußte seit dem Volksaufstand des 17. Juni 1953, daß sie nicht nur auf Härte setzen konnte. Der "Neue Kurs" zur Gewinnung der gutwilligen Teile der Bevölkerung mußte glaubhaft werden, um die Existenz der DDR auf Dauer zu sichern.
Hilde Benjamin, nunmehr Mitglied der Regierung, hielt in dieser Phase ungewöhnlich selbstkritische Reden, orientierte sich auf den nächsten Schritt zur Teilhabe an der Macht: die Wahl ins Zentralkomitee.
In ihrer Kaderakte (die ich mit Erlaubnis von Professor Michael Benjamin einsehen durfte) ist nachzulesen, was sie 1951 in einem internen Lebenslauf als nonnenhaftes Bekenntnis formulierte: "Ich bin mir der Verantwortung bewußt, wenn ich sage: Jetzt steht die Partei in meinem Leben an erster Stelle, es gibt keine Bindung, keine Beziehung, die dem vorginge."
Hilde Benjamin blieb lebenslänglich Mitglied des Zentralkomitees. Weitere Machtpositionen in der SED hat sie nie errungen. Das tiefsitzende Mißtrauen der proletarischen Führungsspitze gegenüber einer bürgerlichen Intellektuellen stand wohl immer dagegen. Sie blieb auch im "Städtchen" in Pankow wohnen, als die oberste Spitze der SED sich in Wandlitz ihr Prominentengetto schuf.
Die Ministerjahre Hilde Benjamins waren von zwei widersprüchlichen Tendenzen gekennzeichnet. Einerseits repräsentierte sie weiterhin den Kurs der Härte gegenüber den "Feinden des Sozialismus", trieb die Bestrafung aller Widerspenstigen nach dem kurzen Tauwetter infolge des XX. Parteitag der KPdSU voran (zu erinnern ist an den Janka-Prozeß und die Bestrafung zahlloser "Abweichler"), ebenso wie die Jagd auf Oppositionelle nach dem 13. August 1961. Andererseits arbeitete sie an Reformwerken wie dem Familien- und dem Strafgesetzbuch, die für die DDR-Bürger teilweise positive, gesellschaftliche Weichen stellten.
Schon in den fünfziger Jahren hatte Hilde Benjamin auf ein Familiengesetzbuch auf der Grundlage der Gleichberechtigung von Mann und Frau gedrängt. 1965 wurde der Entwurf in Millionenauflage verteilt und zur öffentlichen Diskussion aufgerufen. Tausende von Vorschlägen kamen im Ministerium an, ingesamt wurden 23 737 registriert, im endgültigen Gesetzestext 230 Änderungswünsche berücksichtigt. Es waren nicht nur redaktionelle Anmerkungen, wie Zeitungen im Westen vorurteilsvoll vermuteten.
Das Familiengesetzbuch brachte - Jahre vor den vergleichbaren Veränderungen in Westdeutschland - ein neues Namensrecht, das Mann und Frau die Wahl des Familiennamens freistellte, die weitere rechtliche Gleichstellung der außer der Ehe geborenen Kinder, die Verankerung des Rechts auf Scheidung, wenn die Ehe "ihren Sinn" verloren hatte, die Verpflichtung von Mann und Frau, sich gleichberechtigt um die Belange der Familie zu kümmern.
Hilde Benjamins Rede zum Familiengesetz sollte ihr letzter, großer Auftritt als Ministerin vor der Volkskammer sein. Das Jahr 1967 begann mit der Verleihung des Ordens "Held der Arbeit" zu ihrem 65. Geburtstag.

DIE ABLÖSUNG VOM MINISTERNAMT:

Wenig später wurde Hilde Benjamin von dem LDPD-Politiker Wünsche abgelöst. Trotz öffentlicher Beteuerungen, es wäre eine Entlassung auf Wunsch, war es doch eine Absetzung wider Willen. Michael Benjamin berichtete, daß seine Mutter gern weiter Ministerin geblieben wäre und auf die Entlassung nicht vorbereitet war. Willi Stoph, der Ministerpräsident, hätte sich für das Vorgehen ausdrücklich entschuldigt. Doch Ulbricht, dem ihre Härte so lange nützlich gewesen war, ließ sie ohne ein persönliches Wort fallen. Zu ihrer Genugtuung wurde ihr die Leitung der Kommission für das neue Strafgesetz nicht aus der Hand genommen. Das Gesetzeswerk, in Teilen von überkommenen Moralvorstellungen befreit (u.a. beim alten § 175 und dem Abtreibungsverbot), leitete im politischen Strafrecht jedoch eine weitere Verschärfung ein. Auch hielt es an der Todesstrafe fest, die in der DDR erst 1988 abgeschafft wurde.
Hilde Benjamin, nunmehr Professorin für Rechtsgeschichte in Potsdam-Babelsberg, arbeitete an einer dreibändigen "Geschichte der Rechtspflege der DDR" und schrieb die Biographie ihres Mannes. Zwei Mal bekam sie den Karl-Marx-Orden sowie viele andere Auszeichnungen. Kaltgestellt mit Ordensblech und Ehrentiteln.
Hilde Benjamin starb im April 1989, wenige Monate vor dem endgültigen Untergang der DDR.
Hilde Benjamin war, als sie starb, keine sanft gewordene, weise Mutterfigur ihres Staates. Bis zuletzt trat sie für Härte gegen die "Feinde des Sozialismus" ein. Hilde Benjamin und die DDR waren einander ähnlich geworden. Sie war, wie ihr persönlicher Referent sagte, Mutter und "Furie" zugleich, ebenso wie die DDR den Bürgern soziale Chancen bot und nicht ausschließlich ein "terroristisches Unrechtsregime" gewesen ist.
Hilde Benjamins einstige Vision von mehr Gerechtigkeit in Staat und Gesellschaft konnte unter den ideologischen Zwängen der Staatsraison keinen Bestand haben. Ihre Starrheit und Unbelehrbarkeit entsprachen der Erstarrung des gesamten Systems des realen Sozialismus. Ihr Sohn, befragt, wie sie mit dem Ende ihres Lebenswerkes umgegangen wäre, antwortete: "Es hätte sie umgebracht".